Heute soll es in die Berge von Cazorla gehen. Die Anfahrt dorthin ist kurz und wenig befahren. Wir genießen die Landschaft. Lediglich ein kleiner Lieferwagen muss uns an völlig unübersichtlicher Stelle überholen – 500 Meter weiter, wäre alles sehr übersichtlich gewesen. Wir schütteln gemeinsam den Kopf. An der nächsten Kreuzung liegt er dann auch im Graben und eine Ambulanz kümmert sich um den Fahrer…
Cazorla ist ein hübsches Städtchen, das sehr steil und eng an den Berg gebaut ist, ja fast daran klebt. Gemäß unserer Karte müssen wir durch die Stadt hindurch bis ganz nach oben. Geht aber nicht, denn plötzlich ist die Straße zu Ende und eine schmale Fußgängerzone beginnt. Irgendwo müssen wir einen Abzweig verpasst haben. Also retour.
Es kommt aber kein Abzweig und so sind wir nach ein paar Minuten wieder am Stadtein- bzw. für uns jetzt Stadtausgang. Ein Blick auf die Karte: Es gibt noch einen zweiten Weg in die Berge, der nicht durch die Stadt führt. Den suchen wir jetzt erst einmal mit Hilfe der freundlichen Navigon-Tante, bevor wir uns in Cazorla noch einmal verfahren.
Die weiß aber überhaupt nicht, wo wir sind. Geschweige denn, wo wir hinwollen. Sie schickt uns in jeden Olivenhain, dessen Feldweg in die Straße mündet – was wir natürlich strikt ablehnen – und gibt nach rund 5 Kilometern völlig auf. D.h. sie sagt gar nichts mehr. Also Neustart des Programms und wieder umkehren. So einfach geben wir nicht auf. Dann muss uns Tante Navigon eben durch Cazorla leiten.
Und genau das tut sie – auf abenteuerlichste Weise. Wir werden durch winzigste Gassen geschickt, die höllisch eng, tierisch steil sind und in die kaum Tageslicht fällt. „An der nächsten Kreuzung rechts abbiegen, dann nach 50 Metern links abbiegen“, das Ding macht mich wahnsinnig. Hier gibt es keine Kreuzungen, höchstens kleine Toreinfahrten, die uns in Hinterhöfen zwischen den Häusern hindurch lassen. Nach etwa 10 Minuten Abenteuerfahrt kommen wir aus einem dieser finsteren Gässchen – und stehen auf der Hauptstraße mitten in einer Baustelle. Jetzt wissen wir, warum wir hier allein nicht hingekommen waren. Die Straße ist gesperrt.
Ein Zurück gibt es aber nicht! Wir holpern über die nicht vorhandene Straße und hoffen, dass wir bis zum Ende der Baustelle unbehelligt durchkommen – was auch wirklich gelingt, denn es ist nicht mehr weit bis zum Ende, wo normal geteert ist. Tante Navigon wird wieder eingepackt.
Rasch sind wir am Scheitelpunkt der Straße angelangt und haben einen schönen Ausblick über die Berge von Cazorla. So hatten wir uns das vorgestellt. Jetzt wieder schön kurvig abwärts und dann die nächsten 50km immer am Fluss entlang.
Leider ist die Straße etwas langweilig. Viele Kurven gibt es nicht, das Pflaster ist schlecht, erfordert eine gute Rückenkondition und die ganze Region ist touristisch extrem erschlossen: Überall stehen Ferienhäuser, Hinweisschilder auf spielende Kinder und geparkte Autos der Urlauber. Zudem geht es fast immer durch Hochwald, weshalb man von der Berglandschaft so gut wie nichts sieht. Auch der erwartete Fluss hat sich hinter den Bäumen versteckt – sofern er überhaupt Wasser führt, denn an den Stellen, wo man freie Sicht hat, kommt lediglich ein ausgetrocknetes Flussbett zum Vorschein, in dem ein winziges Bächlein müde vor sich hin plätschert. Aber ein Entkommen gibt es hier nicht. Wir fahren auf der einzigen Straße, die es gibt – und das dann eben bis zu deren Ende.
Gegen 16:00 Uhr biegen wir auf die N322 ein und machen wenigstens noch etwas Strecke. In Albacete suchen wir eine Pension, finden aber keine, denn der Feierabendverkehr lässt uns nicht die Ruhe, nach links oder rechts Ausschau zu halten.
So fahren wir weiter nach Tarazona de la Mancha – ins Nichts! Ja, tatsächlich: Hier ist es völlig eben, hier stehen keine Bäume oder Büsche, hier sind die Felder gerodet und die Straße führt, wie mit dem Lineal gezogen, immer geradeaus – eben ins Nichts! Nein, stimmt nicht ganz, denn sie führt doch immerhin nach Tarazona.
Und hier empfängt uns eine merkwürdige Stadt. Nichts deutet zunächst auf großen Reichtum hin. Die Leute sitzen in den Bars oder auf dem Marktplatz und trinken ihren Wein wie überall. Nur in den Straßen parkt das offensichtliche „Normalgefährt der Stadt“ – irgendetwas ab BMW 530 aufwärts. Kleine Fahrzeuge sieht man kaum. In der Pension fragen wir, ob wir die Maschinen in die Garage stellen dürfen, denn diese Straße ist scheinbar die einzige in der ganzen Gegend, die ein Gefälle aufweist. Die Wirtin, ohnehin nicht sehr freundlich, ist wenig begeistert und zeigt uns auch warum. In der großen Garage reiht sich ein Mercedes an den anderen – von der E-Klasse bis zum Geländewagen. Es sei wenig Platz sagt sie und ihre Tochter käme auch noch nach Hause. Wir fragen gar nicht, womit wohl, sehen es aber am nächsten Morgen bestätigt. Wahrscheinlich bekommt die Familie Mengenrabatt bei Mercedes…
Die Stadt selbst sieht recht nett aus und der Marktplatz ist mit seinen umliegenden historischen Wohnhäusern und der Kirche sogar sehr ansprechend. Eigenwillig erscheint uns, dass sich kurz vor 18:00 Uhr überall die Haustüren öffnen, Gartenstühle vor die Häuser auf den Gehweg oder auf die Straße gestellt werden und alte Leute darauf Platz nehmen. Die schwatzen dann laut und intensiv miteinander, aber gegen 18:15 Uhr werden beide, die alten Leute und die Stühle, wieder eingesammelt. Es ist als hätte man die Alten für eine Viertelstunde zum Lüften rausgesetzt…
Wir wollen jetzt etwas essen und trinken und suchen uns einen freien Tisch vor einer der zahlreichen Bars auf dem Marktplatz. Die Bedienungen sind eifrig, allerdings bedient uns niemand. Irgendwie werden wir stets übersehen. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, das zu ändern, gehen wir wieder fort, suchen einen Supermarkt und kaufen etwas, das wir auf dem Zimmer verzehren können ohne kochen zu müssen. Fremde mag man hier scheinbar nicht sehr. Selbst dann nicht, wenn man eine Pension betreibt. Wir merken das auch wieder am nächsten Morgen beim Frühstück, wo man uns nur widerwillig eine Miniaturausgabe von Tostada serviert.