Alte Steine

Von Dublin bis nach Portland genießen wir einen Seetag. Ausschlafen, lange frühstücken, Geschichten schreiben, Mittag essen, dösen, wieder Geschichten schreiben, wieder dösen, zu Abend essen, einen Cocktail genießen und den Tag beschließen. Ich zumindest könnte das tagelang wiederholen.

Portland ist die vierte Hafenstadt auf unserer Reise, die den Eindruck macht, Großbritannien habe den Strukturwandel von einer Schiffbaunation zu irgendetwas anderem nicht wirklich hin bekommen. Hier ist sogar das jahrzehntelang dominierende Militär inzwischen abgezogen. Ein für die kleine Stadt riesiges unfertiges Wohn- oder Bürohaus verziert die Skyline mit etwa 100 Metern finsterer, glasloser Ruinenansicht und auch die olympischen Spiele von 2012, bei denen die Segelwettbewerbe in Portland und dem benachbarten Weymouth ausgetragen wurden, haben außer der hässlichen, im typisch englischen Einheitsstil erbauten und als unvermarktbar geltenden Wohnsiedlung Osprey Quay, kaum etwas hinterlassen. Man fragt sich – und nicht nur wir tun das -, wie man demnächst auch noch den Brexit meistern will…

Osprey Quay

Kontrastprogramm Stonehenge. Man weiß nicht, wofür dieses Steinrund erbaut wurde; ob es als Observatorium, als Sanatorium oder als Kultstätte diente (der Audioguide überlässt die Auswahl in der Regel dem Besucher mit den Worten: „…und was meinen Sie?“). Man weiß auch nicht, wie es gelungen sein konnte, über 300 Jahre an dieser Stätte ohne große technische Hilfsmittel gebaut und die Massen von Arbeitern versorgt zu haben. Rätsel über Rätsel, denn aus der damaligen Zeit gibt es so gut wie keine erhaltenen Zeugnisse über gesellschaftliche, klerikale oder spirituelle Strukturen. Man kann graben und finden, was nicht vergangen ist, alles andere ist Spekulation (wird man über unsere Zeit in 5.000 Jahren auch so rätseln, wenn keine CD, keine DVD mehr lesbar ist und niemand mehr Festplatten auslesen kann?).

Stonehenge

Wir gehen um das Steinmonument einmal herum und betrachten es damit aus unterschiedlichen Winkeln. Zusammen mit besagtem Audioguide und dessen Erläuterungen ergibt sich für uns schon das Bild einer Stätte, die etwas mit dem Sonnenlauf zu tun hat. Aber ob nun dadurch und durch die – aus unserer Sicht eher esoterische – Kraft der sog. Blausteine das Ganze auch den Charakter einer Heilstätte hatte? Wer weiß? Sicher erscheint uns jedenfalls, dass hinter diesem Bau eine ungeheure gesellschaftliche Machtstruktur gestanden haben muss – ähnlich der der katholischen Kirche, die einst zum Bau unserer vielen Dome und Kathedralen geführt hat. Also doch eher eine spirituelle Stätte?

Letztendlich ist es auch egal. Wir sind keine Archäologen und haben auch kein inniges Verhältnis zum Druidentum (dem Stonehenge von denjenigen zugeschrieben wird, denen es gleichgültig ist, dass Druiden erst viel später entstanden sind, die aber gern einmal im Jahr zur Sonnenwende hierher kommen, um zu feiern (man stellt bereits Toilettencontainer auf…).

Damit ist der Sinn dieser Stätte für uns unbedeutend. Bedeutend ist allerdings, dass hier Generationen von Menschen mit ihrer Arbeitskraft ein Monument erschaffen haben, das nach derart langer Zeit ihre Nachfahren noch immer in Bewunderung versetzt. Respekt, Respekt!

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