Sonntag regnet es. Niemand hat wirklich Lust, loszufahren. Also passiert es auch nicht. Wir bleiben im inzwischen gut geheizten Cottage, lesen, schreiben Geschichten für den Reiseblog, machen einen Sonntagsspaziergang, besprechen die Tour für morgen. Abends Guinness!
Aber der Spaziergang soll hier doch erwähnt werden. Er präsentiert uns nämlich diese olivgrüne, rostbraune und vom Gelb des niedrigen Ginsters durchsetzte Landschaft hautnah. Wir gehen ja durch sie hindurch. Passieren Viehgatter, feuchte matschige Weidewege, immer entlang der felsigen Küste, immer begleitet vom Rauschen der Brandung in den kleinen aber steil abfallenden Buchten.
Eine Badebucht und einen Leuchtturm soll es hier geben. Nur wo? Links die Steilküste, rechts die sanften bunt bewachsenen Berge mit ihren Bewohnern, den Schafen. Ein Wandererpaar kommt uns entgegen, wird nach dem Leuchtturm befragt und ergeht sich in einer laaaangen Beschreibung: Diesem Weg nach bis zur Badebucht, dann weiter links über den Berg, wieder runter zur Küste und dann… Wir wären mindestens noch zwei Stunden unterwegs, um einen kleinen rostigen Turm anzuschauen. Wollen wir das? Nein!
Es ist kalt. Leichter Nieselregen hat eingesetzt. Trotzdem sind wir vom Wort Badebucht neugierig geworden. Zwar rechnen wir nicht damit, dass hier und heute irgendjemand im Freien badet – schon gar nicht wir – aber da nicht anzunehmen ist, dass mit baden ein Sprung aus ca. zehn Metern Höhe in die Brandung gemeint ist, muss es in dieser Gegend also auch flache Küstenstellen geben. Neugier treibt an (schreibt einer, der damit seine Familie ernährt hat…)! Also weiter.
Und plötzlich steht links des Weges ein Kruzifix, dessen Inschrift einen hier in der Nähe Verstorbenen dem Herrn und Erlöser anbefiehlt. Ein Ausdruck der immanenten Gläubigkeit mitten auf einer Schafweide. Mir gehen die Gesänge aus dem Pub, vorgestern, nicht aus dem Kopf. Ganz langsam fügt sich ein erstes, noch sehr unkonkretes Bild von diesem Land zusammen. Ich liebe das Reisen mit unseren Maschinen, aber es besteht auch immer die Gefahr, am wirklich Wichtigen, am Landestypischen einfach vorbei zu fahren. Das haben wir im Baltikum erlebt, wo es unabsichtlich und unserer mangelnden Sprachkenntnis wegen geschah, wir haben es aber auch auf der Hurtigruten erlebt, als 12 Tage lang Norwegen wie in einem 3D-Kino an uns vorüber zog.
Während ich so meinen Gedanken nachhänge, haben wir tatsächlich die Badebucht erreicht. Es badet wirklich niemand und ganz ehrlich, der Strand lädt mit seiner groben Steinigkeit auch nicht gerade dazu ein – selbst, wenn es hier bei schönem Wetter vielleicht ganz romantisch sein könnte. Eine rauhe Schönheit eben, diese Badebucht.