Die Ersten Tage

Ballyvaughan: Sonntag, Ruhetag

Fast fünf Minuten stehe ich mit den Füßen im kalten Duschwasser. Die Pumpe läuft, warmes kommt nicht. Den anderen geht’s nicht besser. Haben wir die Warmwasser-Wochenration gestern etwa schon verbraucht? Während Mike sich an der Schaltuhr versucht, beobachten Devil und ich den Stromzähler. Der ruht still vor sich hin, ebenso wie die Sicherung. Hier ist alles ok, hier tut sich nichts. Wie bekommen wir jetzt warmes Wasser?

Boiler
Der Boiler

Anruf bei der Vermieterin! Sie kommt, zeigt, wo der Boiler ist und erklärt, dass der Überhitzungsschutz ausgelöst, sie bereits einen neuen gekauft, den aber noch nicht eingebaut hat. Also drückt sie den alten Überlastknopf wieder hinein und es gibt warmes Duschwasser. Wir wünschen uns allerdings inniglich, dass dergleichen nicht noch einmal passiert, denn dieser Boiler besticht nicht nur durch museale Form und landestypische Farbe, sondern auch durch den schlichten Charme seines elektrischen Anschlusses: Es muss lediglich eine etwas angerostete Abdeckung entfernt werden, danach liegt alles schier und (vor allem) blank direkt im Zugriff des Reparateurs. Das spart Zeit und Geld!

Der Anschluss
Der elektrische Anschluss…

Konsequenterweise befindet sich der Überlastknopf leicht versenkt genau in der Mitte zwischen Plus und Minus. Das ist zwar ebenfalls platzsparend, würde einem deutschen Elektriker aber wahrscheinlich die Haare zu Berge stehen lassen. — Genau wie uns, sollten wir versuchen, den Knopf mit dem Finger zu betätigen…

Nachmittags erhalten wir Besuch. Ein älterer Herr möchte knapp 150 Euronen von uns. „Haben Sie nicht gestern im Supermarkt eingekauft?“ „Ja…?“ „Ihre Kreditkarte hat nicht funktioniert.“ Er hat Rechnung und Kartenbeleg dabei. Ob wir so freundlich wären, den Betrag noch zu begleichen? Da hier jeder jeden kennt, kommt es nicht gut an, offene Rechnungen offen zu lassen. Er bekommt also das Geld und zieht zufrieden ab. Uns ist es etwas peinlich, aber die Kassiererin hatte es schließlich auch nicht bemerkt.

So zieht der Sonntag an uns vorüber: Man erholt und entspannt sich, redet über dies und das, über diesen und jenen und über allerlei anderes.


Montag

Nach dem Frühstück ist mir schwindelig – weiß der Teufel, woher. Vielleicht bin ich unterhopft, keine Ahnung. Die geplante Tour nach Galway fällt jedenfalls aus. Wir fahren lediglich zum Supermarkt nach Ennistimon – allerdings nicht ohne einen Zwischenstopp beim Portalgrab von Poulabrone einzulegen, das aus der Zeit von 4.200 bis 2.900 v.Chr. stammt. Es liegt an einem der höchsten Punkte des Karstberges Burren und da angenommen wird, dass auf dem ursprünglich mit Erde angehäufelten Grab früher ein Steinturm aufgeschichtet war, liegt es nahe, das der Platz nicht nur als Grab- und Kultstätte, sondern auch als geographischer Orientierungspunkt verwendet wurde.

Poulnabrone Dolmen
Poulnabrone Dolmen – ein Portalgrab

Dann Einkaufen der Dinge, die wir vorgestern vergessen oder nicht bekommen hatten. Zum Beispiel „Druids“, The Taste of Magic. Das gibt es in Halbliterdosen und ahnungslos, wie ich bin, halte ich den Inhalt für gutes irisches Bier. Aber es ist – hätte ich gelesen, was auf den Dosen steht, wüsste ich es – alkoholisierter Apfelsaft, Cider. Etwas süßer als Äppelwoi, aber für mich, auf dessen Beliebtheitsskala Apfelsaft direkt mit holländischen Tomaten und rohen Zwiebeln konkurriert, fällt dieses Getränk in die Kategorie „muss nicht sein“. Tja, wer lesen kann ist eben doch im Vorteil.

Panorama
Panorama über Ballyvaughan

Auf dem Rückweg über die N67 kommen wir noch zu einem Aussichtspunkt bei Gragan‘s Wood, der einen wundervollen Ausblick über das Land in Richtung Ballyvaughan hin zur Küste erlaubt. Ein schönes Panorama! Leider setzt etwas Regen ein und wir sehen zu, dass wir auf dem Rest des Weges nicht allzu nass werden.


Dienstag

nach Galway
Auf dem Weg nach Galway.

Die Tour nach Galway wird nachgeholt. Gegen Mittag sind wir mit John verabredet, einem Bekannten von Mike, mit dem er sich regelmäßig trifft, wenn er in Irland ist. John ist Farmer, züchtet Rinder und ist auf dem Sprung, denn morgen will er in Urlaub fahren. September ist günstig, sagt er, da bekommen die Tiere keine Jungen. Und was er dann als Urlaubsplan vorstellt, sieht eher bedingt nach Erholung aus: mit der Maschine nach Dublin, Fähre nach England, nach Hull, Fähre nach Holland, nach Frankfurt, von dort nach Spanien, durch die Pyrenäen im Zick-Zack von West nach Ost, wieder Frankfurt und schließlich retour nach Irland – alles in drei Wochen. Na dann mal gute Reise!

Straßenmusikant
Straßenmusikant in der Hauptstraße von Galway

Galway selbst ist mit knapp 80.000 Einwohnern eine der größeren Städte Irlands und besitzt dementsprechend kulturelle, infrastrukturelle und wissenschaftliche Einrichtungen. Aber entscheidend für uns ist natürlich die teils malerische Altstadt mit ihrer Fußgängerzone, der Einkaufsmeile. Hier finden sich neben vielerlei Straßenmusikern diverse kleine Schönheiten: Hübsche Läden, urige Pubs, Cafés, Schaufenster und/oder Dekorationen.

Erker
Einer der endlos vielen Pubs.

Pubs gibt es en masse. Mal mit ein paar Tischen davor, mal ohne; mal mit mehreren Stockwerken, mal nur im Parterre. Man fragt sich unwillkürlich, wie die alle so friedlich nebeneinander überleben können. Aber wir kennen die irische Pubtradition noch nicht. Erst im Laufe der Woche werden wir bemerken, dass selbst in einem so kleinen Ort, wie Ballyvaughan spätestens ab 21:00 Uhr „die Hütte voll ist“. Hier abends in die Kneipe zu gehen, sein Bierchen zu genießen und mit Freunden oder Bekannten zu schwatzen, ist ein ganz normaler Tagesabschluss – völlig egal, ob Mann oder Frau, Alt oder Jung.

Galway City
Einkaufsstraße in der City von Galway

Zwischen den einkaufenden Menschen und den Touris (wie uns) laufen überall Schulkinder herum. Man erkennt sie an ihren Uniformen: dunkle Hose, blauer Pulli mit dem Wappen der Schule. Allen typisch deutschen Diskussionen zum Trotz, hat diese Uniformität aus meiner Sicht nichts mit Militär oder mit Ausgrenzung zu tun. Ich halte sie für ein zweckmäßiges Mittel, um den Unterschied zwischen armen und reichen Elternhäusern zumindest teilweise kaschieren zu können (wer keine Nike-Schuhe trägt, ist raus). Und zum anderen meine ich, dass daraus ein positives Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl entstehen kann, das unserer kaputt-individualisierten Gesellschaft vielleicht auch ganz gut täte.

An der Kirche
An der St. Nicholas‘ Collegiate Church.

Inzwischen sind wir an der St. Nicholas‘ Collegiate Kirche angekommen. Sie ist (lt. Wikipedia) die größte kontinuierlich genutzte mittelalterliche Pfarrkirche Irlands. Und ich merke es sofort, als ich eintreten und ein Foto machen will: Drinnen wird musiziert, das Kirchenschiff ist voller Menschen und ich werde sofort von einer Dame, die aussieht, als würde sie keinen Widerspruch dulden, höflich aber eindeutig hinaus komplimentiert.

im Café
Mit John im Straßencafé – Regen abwettern…

Es hat zu regnen angefangen, wir verziehen uns in ein Café. Mike und John sind sich einig: Wenn Du etwas über das Irische Wetter sagen willst, warte 15 Minuten, es hat sich geändert. OK, diese Viertelstunde dauert heute deutlich länger und so starten wir irgendwann im Regen auf den Heimweg. Es ist das erste Mal, dass sich unsere Anzüge bewähren müssen. Bei den Schuhen wissen wir, dass sie dicht sind. Und in Ballyvaughan angekommen, sind wir uneinig, ob nicht doch die eine oder andere Stelle durchgefeuchtet ist…

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