Wicklow Mountains

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen funktionieren unsere Zimmerkarten nicht mehr. Zur Rezeption und nachgefragt, ob das denn so richtig sei. Schließlich habe man für zwei Nächte bezahlt (auch, wenn es recht günstig ist). Die Antwort: ‚Jaaa, das käme schon mal häufiger vor. Das Kartensystem sei wohl nicht mehr so recht in Ordnung.’ Wir erhalten neue Zimmerkarten und den guten Rat, dass wir beim nächsten Mal gern wieder zur Rezeption kommen dürften. Schon wieder irischer Humor?

Dann die Fahrt zum Wicklow Gap, wobei mich die ersten Kilometer eher wieder an das Stückchen N84 hinter Galway, das in Konkurrenz zur Po-Ebene stand, erinnern: Auf der N80 und der M7 mit 100 km/h fast immer geradeaus. Bei Newbridge verlassen wir die Autobahn und kurven recht angenehm durch’s Land bis wir bei Hollywood (nein, nicht die berühmte Filmstadt) auf die R756 abbiegen, die uns in die Wicklow Mountains führt.

durchs Land
Wir fahren vorbei an kleinen Dörfern zu den Wicklow Mountains

Und tatsächlich, hier ist die Landschaft noch einmal anders als in Connemara, wo Tradition und modernes Landleben so direkt spürbar neben- und miteinander harmonierten. Hier ist es einsamer, die Berge – ebenso sanft, wie dort – zum Teil bewaldet oder von schier endlosen Heideflächen rotbraun bedeckt, unterbrochen auch hier vom Gelb des niedrigen, buschigen Ginsters. Was nahezu gänzlich fehlt, sind Häuser oder Dörfer. Hier wohnt niemand. Zwischen Hollywood und Glendalough nur zwei winzige Orte. Links und rechts der Straße endlose Landschaft über die der Blick frei schweifen kann. Denn hier fährt auch fast niemand – außer uns. Das hat seinen Reiz!

Wicklow Mountains
Die Wicklow Mountains – nahezu unbewohnt und sanft hügelig.

So „klettern“ wir nahezu unbemerkt bis zum Wicklow Gap hinauf. Unbemerkt, weil es keine größeren Steigungen und insbesondere keine Kehren gibt, die man als Kontinentaleuropäer mit dem Begriff „Pass“ sonst zu verbinden gewohnt ist. Ein erstaunlicherweise gut gefüllter Parkplatz und ein kleines Schild markieren den Scheitelpunkt. Mehr nicht. Dann geht es hinab nach Glendalough. Dumm nur, dass von eben diesem Parkplatz kurz vor uns ein Rentnerbespaßungsbus abgefahren ist, der jetzt vor uns hertrödelt. Keine Chance zum Überholen. Und wohin will der? Natürlich: Glendalough.

Friedhof
Der alte Friedhof von Glendalough mit schönem Blick ins Tal der zwei Seen

Dort erwartet uns eine ausgedehnte Klosteranlage, bzw. deren Reste, ein Friedhof, auf dem sich die inzwischen vom Bus Freigelassenen fleißig umtreiben und einzeln, unter großem Gejohle der anderen, ein Hochkreuz zu umarmen versuchen (ob das Glück bringt?) und die St. Cevin’s Church, deren Turm eher einem Kaminzug ähnelt.

Am Rande der Anlage dann noch ein großer Rundturm, der im 11. Jahrhundert zum Schutze kirchlicher Heiligtümer vor den Wikingern, den bösen, erbaut wurde. Immerhin 33 Meter hoch und noch in richtig gutem Zustand, frage ich mich unwillkürlich, was nach über 900 Jahren wohl von unseren heutigen Bauten übrig geblieben sein wird…

900 Jahre Elbphilharmonie in Hamburg? Wenig vorstellbar. Ausgrabungen im Jahre 2.100 in der Gegend von Berlin fördern die Reste prähistorischer Technik zu Tage, die wegen ihres gut erhaltenen Zustands offenbar nie verwendet wurde. Wohl eher denkbar.

Sängerin
Die Sängerin mit ihren Uilleann Pipes und ihren CDs

Nun, wir ergehen uns nach dem Besuch der Anlage ziemlich ausführlich in den davor aufgebauten Souvenirbuden, erstehen Patches und kleinere Mitbringsel, lauschen den leicht schrägen Gesängen einer älteren Dame, die mit etwas dünner Stimme zum begrenzten Tonumfang ihres traditionellen Musikinstruments, den Uilleann Pipes – einer Art Irischem Dudelsack -,  ihr ebenfalls nicht gerade ausuferndes Repertoire darbietet, um ihr Œuvre in Form von CDs unter die Touristen zu bringen, und beenden den Besuch mit einem Cappucchino auf der sonnigen Terrasse des nahen Hotels.

Tullamore
Der wenig erfreuliche Blick aus unserem Hotelzimmer: British/Irische Wohnmonotonie

Zurück in Tullamore habe ich abends in der Hotelbar ein déjà vu. 2006 wollte ich mit Hendrik in Norwegen tanken und die Tankstelle war leer, kein Benzin mehr in den Tanks. Hier und heute ist das Guinness aus. Drei ganze und ein halbes Pint quält der Barkeeper noch aus dem Fass, dann wird ein Glas über den Zapfhahn gestülpt. Schluss. Seine Erklärung ist wieder so eine Art irischer Humor: ‚Es sei die ganze Woche von den Gästen ausschließlich Guinness getrunken worden. Damit hätte er nicht gerechnet, er sei überrascht.’

Tja, da müssen wir wohl auf Smithwick’s (auf dem Kontinent als „Kilkenny“ bekannt) umsteigen – ein Ale, das leicht moussierend wie eine Mischung aus dunklem Dünnbier und Berliner Weiße ohne Sirup schmeckt. Und da wir vom Missgeschick des Barkeepers so direkt betroffen sind, schenkt er mir, der gerade mit dem Bezahlen der Runde dran ist, ein Riesenglas etwas abgestandenes Heineken. Auch das noch! Na dann mal: Gute Nacht, Irland!


Diese endet allerdings auch wieder deutlich früher als erwartet, nämlich um 7:50 Uhr. Der geneigte Leser wird vermuten, dass ein Feueralarm die Ursache sein könnte. Und ja, tatsächlich heult der Rauchwarnmelder! Also: The same procedure as last night. Nur sind diesmal nicht einmal die Feuertüren im Flur zu gegangen.

Beim Auschecken spreche ich den Rezeptionisten auf die wenig erfreulichen Fehlfunktionen der Rauchmelder an und erhalte zur Erklärung, dass jemand beim Frühstück seinen Toast etwas länger als sonst üblich getoastet hatte. Ob das in der Nacht davor auch so war?

zur Fähre
Auf der Autobahn, die letzten Kilometer bis zur Fähre

Genug ist genug. Irgendwie bin ich nicht unglücklich, jetzt zur Fähre zu fahren. Und den anderen geht es ebenso. Nach drei Wochen ruft mein eigenes Bett nach mir, möchte mein eigenes Kopfkissen mal wieder in den Arm genommen werden. Aber zuvor stehen ja noch die Fährfahrt und drei harte Tage Autobahnfahrt an…

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