Wieso Donau?

Montag 9:30 Uhr. Wir sind mit dem Auto auf dem Weg nach Passau. Passau? Und mit dem Auto? Wir wollten doch drei Wochen mit den Maschinen durch deutsche Lande fahren, Freunde und Verwandte besuchen.

Ja, wir (!) wollten das, aber mein Rücken hatte nach zwei Tagen dringlichst medizinischen Service eingefordert, weshalb in den nächsten Wochen meine Mahlzeiten von Ibu800 flankiert und die Urlaubstage in die hiesige Physiotherapie verlegt wurden.

Und eines Abends hieß es dann: „Bevor wir gar keinen Urlaub machen, lass uns doch mal eine Flusskreuzfahrt buchen.“ Meine Bedenken, die von einem skeptischen „hmmm“ über „sind wir dafür schon alt genug“ und „das ist viel zu teuer“ reichten, wurden geflissentlich überhört.

Die MS Heidelberg

Montag 15:30 Uhr. Ankunft in Passau und Transfer zum Schiff. Schiff? Ist das ein Schiff? Schiffe haben, wenn sie nicht gerade Flugzeugträger oder Containerriesen sind, einigermaßen ästhetische Proportionen. Wir entern gerade eine plattgewalzte Keksdose von 100 Metern Länge und 10 Metern Breite, die knapp aus dem Wasser ragt. Aber da es wie aus Eimern schüttet, ist es uns egal. Außerdem haben wir die Woche im Voraus bezahlt und ein Zurück gibt es nicht.

Kabine

Einchecken und Kabine beziehen. Jugendstil wohin man schaut. Das Bett, der Schrank, das Bad, der kleine Schreibtisch. War mir die schlichte Moderne von „Mein Schiff“ gegenüber dem Luxus der Color-Line, dem italienischen Plastik-Kitsch der Costa-Schiffe und der robusten Resopaloptik von Hurtigruten auch immer etwas fremd, hier vermisse ich sie.

Bad

Abendessen. Vorspeise Obatzda. Wir sitzen an einem Sechsertisch. Vier kennen Obatzda aus Bayern, wissen, dass dieser höchst unterschiedlich schmecken kann – aber eben nicht so. Die anderen zwei haben gleich auf die Vorspeise verzichtet. Danach Kartoffelsuppe. Gut, dass es jemand bemerkt hat. Der Rest ist ok, aber Kulinarik war garantiert nicht des Koches Lieblingsfach.

Und jetzt? Jetzt sitzen wir in einem etwas aus der Zeit gefallenen Ambiente aus Titanic, Veteranenclub Kaiserlicher Truppen und dem Seniorenheim Rosenhof, lauschen „Rudis musikalischem Tagesausklang“ – wie es im Programm ausgewiesen ist.

Salon

Rudi selbst versteckt sich hinter einem auf dem Flügel platzierten, üppig dimensioniertem Yamaha-Keyboard und an einem Mikrofonständer hängt seine OP-Maske wie ein frisch gewaschener Babyschlüpfer. Von dort aus präsentiert er – kaum sichtbar – dem Alter des Publikums (uns?) angemessene Schlager aus der Konserve.

Dann und wann singt er auch ein Wenig nach Karaoke-Art und betätigt mit der rechten Hand die eine oder andere Taste seiner Yamaha-Heimorgel, um diesen oder jenen vorgefertigten Akkord dazu erklingen zu lassen. Sowas muss man mögen. Eine ganze Reihe Mitreisender ist begeistert – wir nicht. Das schöne Klavier scheint lediglich Deko zu sein.

Der Ober bringt Aperol Spritz – Rudi muss man sich schön trinken. Und Überraschung: Das Getränk ist deutlich gehaltvoller als die Plörre auf der Südtiroler Negerhütte aber kein Kopfschuss wie auf den TUI-Schiffen, bei denen „all-in“ in der Regel „alles, was reingeht“ bedeutet. Also doch nicht so übel? Warten wir’s mal ab. Jeder hat seine Chance…

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