Wien und Reiseende

Bereits am Mittwoch fand ich nach dem Aufstehen eine virtuelle Mitteilung auf dem Nachtisch: „Wir möchten einen Ruhetag! Deine Füße.“ Leider konnte ich den Wunsch nicht erfüllen, die Erkundung Budapests stand auf dem Tagesprogramm. Am Donnerstag dann: „RU-HE-TAG !“ Aber auch das ließ sich nicht einrichten, der Ausflug in Bratislava war gebucht und bezahlt. Heute Morgen, quasi als letzte Warnung: „Wir werden streiken.“. Nur, der heutige Ausflug „Stadtrundfahrt durch Wien“ gehört auch wieder zu unserem Kulturpaket. Also beschwichtige ich ein letztes Mal mit einer Dosis „Gehwol blau“, verweise auf den bereitstehenden Bus und spiele die Länge des eventuell bevorstehenden Fußweges extrem herunter.

Das Opernhaus

Und nun? Nun sind wir 20 Minuten mit dem Bus zum Wiener Opernhaus gefahren, ausgestiegen und gehen durch die Innenstadt zum Stephansdom. Gehen? Die anderen schon. Ich tapse wie ein abgehalfterter Tanzbär durch die Gegend und habe zeitweilig Mühe das Gleichgewicht zu halten.

Der Dom ist erreicht! Endlich! Wir bekommen 20 Minuten zur Besichtigung auf eigene Faust. Aber meine Hoffnung auf Gestühl, völlig egal, ob bequem oder nicht, erfüllt sich nicht. Alle Sitzbänke werden hinter einer Bezahlschranke verwahrt. Ergo, nix hinsetzen, weiterlaufen, den wahrlich imposanten Dom anschauen, Fiaker bewundern.

Weiter geht’s zur Hofburg, vorbei am Hotel Demel, in dem Eduard Sacher, der Sohn des eigentlichen Erfinders Franz, einst gelernt und das Rezept des Vaters zur heutigen Torte weiterentwickelt, sie schließlich in seinem eigenen Hotel vermarktet hat – der Grund übrigens, warum sich die Hotels Sacher und Demel lange Jahre um die Urheberschaft dieses Gebäcks gestritten hatten. Heute dürfen beide „Original Sachertorte“ anbieten, Demel mit einer und Sacher mit zwei Schichten Marillenmarmelade zwischen dem, ohne Unmengen von Schlagobers, der hiesigen Schlagsahne, ungenießbaren Schokoladenteig.

Im Café Hofburg erhalten wir ein Stück Demel-Sachertorte, dazu einen Cappuccino und endlich (!) einen wunderschönen bequemen Sitzplatz! Leider geht auch diese halbe Stunde zu Ende und ich tapse weiter, jetzt durch den Rest der Hofburg, vorbei an allerlei historisch bedeutsamen Bauten bis zum Bus.

Den Nachmittag haben wir uns freigehalten, um eventuell Freunde zu treffen, nur, einmal aus den Schuhen raus, wollen die Füße partout nicht wieder rein. Sonnendeck, mehr geht nicht.

Abends dasselbe wie gestern. Gegen 21:00 Uhr werden wir rausgemobbt, zumal gleich in einer Tombola „tolle Preise“ zu Gunsten der Crew verlost werden. Da wir keine Nicko-Cruises-BaseCaps und auch keine Nicko-Cruises-Lanyards gewinnen wollen, haben wir auch keine Lose gekauft – aber unsere Tischnachbarn.

Hotel- und Rezeptionschef agieren, als wären sie im früheren Leben Conférenciers bei Werbeveranstaltungen für beheizte Lama-Unterwäsche gewesen und verlosen mit großen Gesten unter den choreographierten Beifallsorgien der Gäste Mozartkugeln, Waffelkekse, Taschenspiegel, Pillendöschen und Nicko-Cruises-Tragebeutel. Wir warten eigentlich nur darauf, dass gleich jemand „Bingo“ ruft. Wie gut, dass unser Getränkeabo noch gilt und Rudi endlich mal schweigt.

Am Sonntagmorgen liegt die Heidelberg in Ybbs, der letzten Station vor dem Reiseende. Ausflüge zu Maria Taferl (noch ’ne Kirche?) und zum Wasserkraftwerk, die Reiseleitung hat sie wie Sauerbier angeboten, niemand interessierte sich dafür – wir auch nicht. Unsere Füße haben sich allerdings etwas beruhigt, sind konziliant und gestatten uns, einen Cache zu suchen („aber nicht weiter als 500 Meter!!“) – wir finden ihn nicht…

Beim Nachmittagskaffee im Salon bei Cappuccino und Kuchen – die Küche bezeichnet es als Kaiserschmarrn, die Vanillesauce ist sogar recht lecker – stellen wir fest, dass Rudi auf dem akustischen Klavier sehr passabel Barmusik kann. Doch noch während wir uns fragen, warum er das bislang nicht gezeigt hat, schaltet er wieder auf elektronische Berieselung und „erfreut“ sein Publikum mit Schnulzen. Das war’s dann für uns. Ab in die Stille der Kabine.

Morgen geht’s früh los, nach Hause und wir ziehen schon mal ein Resümee der Reise: Das Schiff, die MS Heidelberg, ist etwas aus der Zeit gefallen – das Publikum auch. Es gibt wenig Möglichkeiten, sich zurück zu ziehen – da sind wir von Seereisen verwöhnt. Mit unseren Tischnachbarn hatten wir richtig Glück, aber sonst…

In der Küche gibt’s noch deutlich Luft nach oben und das Getränkeabo ist eine gute Wahl (schon wegen Rudi)!  Was die Auswahl und Qualität der Ausflüge angeht, war alles ok, uns fehlten nur die „Seetage“ dazwischen. Und die Donau selbst? Na ja, da waren wir doch etwas an unsere Reise mit Hurtigruten erinnert: 3D-Kino. Aber das Highlight der Reise war eindeutig Budapest!

Werden wir wiederkommen?

Angesichts des Salonambientes fällt mir dazu die letzte Szene aus dem Film „Jenseits von Afrika“ ein, in der Karen Blixen am Tag ihres endgültigen Abschieds von Kenia im Muthaiga Club den Toast ausbringt: „Rosenlippenmädchen – leichtfüßige Jungs“.

Sie (!) kehrte nie zurück

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