Ins Tal der Mon Cherie

Die Nacht war unruhig, mir ist das Abendessen auf dem Magen stehen geblieben und ich musste der eigenwilligen Herrentoilette (ein kleines Kabuff, in dem erst Licht angeht, wenn man abgeschlossen hat – solange ist alles stockfinster) häufiger als gewollt einen Besuch abstatten. Auch das Frühstück ist eher karg. Überhaupt begegnet uns die Wirtin mit freundlichem Desinteresse – bis wir bezahlen, da fragt sie plötzlich nach „woher und wohin“ und wünscht uns tatsächlich „bonne route“.

Col de Izoard

Wir fahren zügig durch Briancon hinauf zum Col de l’Izoard, auf 2.361 m hinauf. Eine wenig spektakuläre Auffahrt und oben angekommen, gibt es eigentlich nicht viel zu sehen. Außer einem Radfahrer, der sichtlich erschöpft den Gipfel erreicht hat, kurzer Hand sein Rad auf die andere Straßenseite trägt (!) und ohne einen Blick nach links oder rechts wieder abwärts fährt. Obelix würde sagen: Die spinnen, die Radler!

Casse Déserte

Schöner ist die Abfahrt durch die Schutthalden der Casse Déserte, der zerhackten Wüste und die Combe du Queyras, eine Schlucht, in der wir auf Rafter treffen, die dort mit dem Schlauchboot und mit viel Spaß abenteuerliche Wasserklippen hinabsausen.

Zum Col du Vars

Unser nächstes Ziel: Der Col du Vars. Nette Kurven, 2.108 m Höhe, keine Herausforderung. Aber es macht Spaß, hier zu fahren. Blauer Himmel, nicht zu warm – wir freuen auf den Col de la Bonette. Und der hat es in sich! Die Pass-Straße ist knapp 50 km lang, hat gefühlte 50 Kehren und dazu noch unzählige Kurven, aber die für Radler an der Straßenseite befindlichen „Meilensteine“ besagen, dass Aufstieg und Abfahrt gleichermaßen etwa 50 km lang sind, d.h. die eigentliche Pass-Straße macht nur die Hälfte der Strecke aus. Wir kämpfen uns aufwärts im Track von Radlern und PKWs, die wegen des Gegenverkehrs oft nur schwer zu überholen sind. Machen wir ein Foto, sind sie wieder an uns vorbei und die Hatz beginnt von vorn.

Camp des Fourches

Oben sind wir abgekämpft und verzichten auf den letzten Weg zum Cime de la Bonette, der uns noch einmal knapp 100 m höher gebracht hätte. Meine Höhenangst dankt es, dass Dennis dort auch nicht mehr hinauf will. Also wieder abwärts! Über den Col de Raspaillon, den wir als solchen gar nicht erkennen, und durch das verlassene Militärlager Camp des Fourches. Dann sind wir im Tinée-Tal, einem dicht bewaldeten Hochtal, in dem wir bis Isola fahren. Hier geht es links von der Route des Grandes Alpes ab, zum Col de la Lombarde – unserem letzten Pass, dem Übergang zurück nach Italien, ins Piemont, dem Land der Mon Cheries.

Zunächst führt die Straße steil in den Berg, um dann plötzlich mit einer Anzahl engster Wechselkehren aufzuwarten. Wer hätte das gedacht? Das hatten wir ja bislang noch gar nicht… Uns bleibt unklar, wie dort die großen Reisedampfer von BMW oder gar Harley Davidson hochkommen sollen. Für uns grenzt das schon an Akrobatik.

Abfahrt vom Col de la Lombarde

Die Abfahrt ist nicht weniger abenteuerlich. Nicht, weil die Straße schwierig wäre, sondern weil sie so eng ist, dass sich selbst zwei Motorräder ausweichen müssen. Grüßen ist nicht angesagt, man würde sich dabei die Hand geben. Und die Kehren der italienischen Seite sind auch nicht übel. Nicht so eng, wie bergauf, dafür aber in dichter Folge und straff an den Berg gemauert.

Gemauerte Serpentinen

Im Piemont gibt es leider keine Mon Cheries. Die wachsen hier wohl doch nicht (oder wir haben sie nicht gefunden). Es wird immer langweiliger, je weiter wir aus den Bergen heraus kommen. Ab Cuneo ist wieder die Autobahn angesagt, bis wir endlich in die Berge abbiegen, zum Lago di Osiglia. Dort in der Jugendherberge haben wir für die Nacht gebucht.

Aber auch hier will man von unserer Buchung nichts wissen – bis wir die entsprechenden Mails zeigen und der Herbergsvater uns etwas beschämt ein Zimmer herrichtet. Er hatte die Mails selbst geschrieben…

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