Afrika ist heute leider wieder verschwunden, weil es sehr diesig ist. Wir machen uns also auf den Weg nach Gibraltar und fahren zunächst einmal nach Tarifa. Hier lohnt es sich, ein wenig zu verweilen, denn die Stadt ist schön angelegt und mit ihren engen Gassen wirklich sehenswert. Anschließend geht es weiter um die Bucht von Algeciras herum, die uns mit hartem Seitenwind, allerlei Sonntagsverkehr und recht vielen Ausblicken auf Industrieanlagen beglückt. Von Gibraltar ist so viel zu sehen wie von Afrika: Nichts!
Erst als wir La Línea de la Conceptión erreicht haben, taucht aus dem Dunst schemenhaft der heiß ersehnte Felsen auf. Jetzt noch schnell über die Grenze und dann wir haben es geschafft!
Aber mit „schnell“ wird es nichts. Für die „Untertanen Ihrer Majestät“ gibt es eine eigene Spur über die Grenze, aber da wir das ja nicht sind, werden wir von einer freundlich aber streng aussehenden Zöllnerin genötigt, mitten in Europa tatsächlich unsere Papiere vorzeigen. Na schön, dann soll es halt so sein: Helm ab, Handschuhe ausziehen, Jacke aufknöpfen, Reißverschluss öffnen, Innentasche öffnen, Brieftasche herausholen, Ausweis entnehmen und der netten Dame aushändigen. Die wirft kaum einen Blick auf das Dokument und gibt es mir wieder zurück. Dann das Ganze rückwärts. Die Autofahrer hinter uns werden langsam ungeduldig. Ich rolle über die Grenze und schaue in den Rückspiegel. Hendrik ist dran: Helm ab, Handschuhe ausziehen, und so weiter und so weiter. Ich lache mich innerlich kaputt. Wer Zirkus haben will, der bekommt ihn eben – selbst bei fast 40°C.
Gibraltar selbst ist zwar recht nett, mehr aber auch nicht. Auf einem Parkplatz mit Ausblick auf die im Dunst kaum erkennbare Bucht von Algeciras kommt ein Polizist auf uns zu und fragt nach dem Woher und Wohin. Wir berichten, dass wir nicht so ganz einig sind, ob wir noch auf den Felsen hinauffahren sollen oder ob wir es lassen. Er empfiehlt uns – zumal der heute mangelnden Aussicht wegen – lieber nach Ronda in die Berge zu fahren. Er mache das mindestens einmal pro Woche und es sei allemal besser als zu den Affen hinaufzufahren.
Nun, so richtig begeistert sind wir tatsächlich beide nicht als wir nach ein wenig Hin- und Herfahren am Europapunkt angekommen sind. Hier wird gerade gebaut und es sind mehr Bauzäune als Sehenswürdigkeiten um uns herum. So schauen wir uns ein wenig hilflos nach allen Seiten um und kommen mit einer Reihe von Bikern, die vom „Moto Clube Faro“ sind, ins Gespräch. Sie zeigen sich sehr zufrieden über unseren Plan, wieder zurück in die Berge zu fahren und begleiten uns – quasi als Eskorte – bis zu einem Souvenirladen kurz vor der Grenze. Wenn wir schon mal hier sind, dann muss auch ein Patch oder ein Aufkleber für den Koffer erstanden werden. Aber dann geht es tatsächlich rasch retour nach Spanien und ab in die Berge nach Ronda.
Und wie recht der Polizist hatte! Hier in der Serrania de Ronda eröffnet sich auf der N369 eine phantastische Kulisse aus grauen und grünen Bergriesen, tiefen Tälern, weiten Aussichten und kurvigen Straßen bester Qualität. Diese Route dürfte – wenn es nach uns ginge – gar kein Ende nehmen. Ronda könnte gut und gern 300 Kilometer entfernt sein und bleiben.
Tut es aber natürlich nicht und wir entscheiden uns, dort in einer gepflegten Pension direkt gegenüber vom Bahnhof zu übernachten. Als sich der Hunger meldet, suchen wir das Bahnhofsrestaurant auf, da es dort eine Reihe von Tischen vor dem Haus gibt, von denen aus man das Geschehen in der Stadt schön beobachten kann. Kaum haben wir einen Platz ergattert, wird es richtig voll und wir fühlen uns zum ersten Mal mitten in Spanien angekommen: Hier geht man stolz und aufrecht, strahlt Selbstbewusstsein aus. Die Herren ganz Kavalier, die Damen mit Fächer…