Heute steht nun endlich das Sternengebirge auf dem Programm. Vor ein paar Wochen hat es hier noch fürchterlich gebrannt. Im Fernsehen konnte man Löschflugzeuge und verzweifelt kämpfende Feuerwehrmänner sehen. Mal sehen, was wir davon noch entdecken können.
Zunächst fahren wir auf der N339, biegen dann aber auf eine Nebenstraße ab, um schnell noch zu tanken. Auf dieser Route umrunden wir die Stadt Seia und kommen am enderen Ende des Ortes wieder auf die richtige Straße. In Richtung Sabugueiro fahren wir jetzt in die Berge hinein bis wir den Abzweig nach Manteigas erreicht haben, auf dem wir hinüber zur N232 wechseln wollen.
Auf dem ersten Stück Straße wird uns sofort bewusst, wie hier das Feuer gewütet haben muss: Kein Baum, kein Strauch. Nur verbranntes Land, geschmolzene Seitenpfosten und durch Hitze verbogene Leitplanken. Es riecht nach kaltem und feuchtem Ruß. Als wir dann zur N232 hinüberwechseln wollen, haben wir das Gefühl, wie auf rohen Eiern zu fahren. Die Straße ist völlig trocken und doch ist sie irgendwie rutschig und unzuverlässig. Insgesamt und in den Kurven ganz besonders, fahren wir sehr sehr vorsichtig und langsam.
Als uns ein Polizeiwagen entgegen schleicht, halten wir kurz an, um ihn vorbei zu lassen – die Straße ist fast nur einspurig – und sehen, warum wir hier so herumeiern und auch der Polizeiwagen so langsam fährt. Von der Hitze des Feuers ist die oberste Schicht des Asphalts geschmolzen oder verbrannt (das lässt sich nicht mehr feststellen) und übrig geblieben sind die im Asphalt verarbeiteten Steine. Etwa so groß und rund wie kleine Hühnereier, sind sie total glasiert und machen jetzt praktisch die gesamte Straßenoberfläche aus.
Auf der N232 angekommen, sieht die Landschaft nicht viel besser aus. Hier ist ebenfalls weitläufig alles verbrannt. Erst als wir uns dem Gipfel nähern, ist wieder Wald zu sehen und wir fahren zwischen niedrigen Nadelbäumen dahin.
Dann der Abstieg nach Manteigas: Ein echtes Abenteuer, selbst wenn wir zeitweise hinter Kleinlastern herfahren müssen. Steil und kurvig mit großartigen Ausblicken auf die tief im Tal liegende Stadt, deren weiße Hauswände und rote Dächer herrlich in der Sonne leuchten.
Dann eine kurze Stadtdurchfahrt und wieder hinauf in die Berge. Dieses Mal in das Tal, welches auf ziemlich geradem Weg zum Torre Estrela führt, einem Pass zwischen Manteigas und der N339. Die Straße ist nicht in bestem Zustand, eng und an manchen Stellen ziemlich steil, aber das ist nicht wirklich schlimm, denn wir sind weit und breit die einzigen, die hier längs fahren – und wir genießen es in vollen Zügen!
Damit wir uns nicht wieder total verfahren, habe ich „Tante Navigon“ im Ohr und die sagt mir plötzlich: „Bitte in 700 Metern den Kreisverkehr an der zweiten Ausfahrt verlassen.“ Ich fasse es nicht. Hier mitten im Gebirge, in einer Gegend, in der Felsen dominieren und nicht Straßen und in der außer uns beiden nicht mal ein paar Schafe oder Kühe zu sehen sind, hier soll ein Kreisverkehr sein? Nach weiteren 400 Metern dieselbe Ansage: „Bitte in 300 Metern… usw. usw.“ Sie ist echt hartnäckig. Und dann: Wir kommen nach besagten 300 Metern aus den Felsen heraus und unsere Straße ist oben auf der Passhöhe zu Ende. Na, und wo endet sie? In einem riesigen, auf die Straße aufgemalten Kreisverkehr. Da wir immer noch weit und breit die einzigen Lebewesen sind, fahren wir den Kreis genüsslich ab, blinken rechts und biegen betont vorschriftsmäßig in die N336 in Richtung Covilhã ab. So ein Quatsch ist uns ja lange nicht begegnet…
Wir befinden uns jetzt auf knapp 2.000 Metern Höhe und die Temperatur ist inzwischen auf etwa 38° C angestiegen – sagt jedenfalls meine Campinguhr, in der auch ein Thermometer eingebaut ist. Daher machen wir in Penhas da Saude erst einmal Rast auf der Terrasse eines Souvenirladens, in dem wir eine kalte Cola bekommen und unter einen Sonnenschirm flüchten können. Die Verständigung klappt völlig reibungslos auf Englisch. Was für ein Unterschied zu Nord-Spanien.
Nach einer halben Stunde ist der Abstieg aus der Serra da Estrela angesagt – leider. Aber auch dieser Abstieg ist beeindruckend. In eleganten Kurven schlängelt sich die Straße einem in großen Bögen ausgefahrenen Walzer gleich hinunter nach Covilhã. Und an jeder zweiten Kurve ist angegeben, dass man wieder 100 Höhenmeter hinter sich gelassen hat. Beginnend bei 1.900 und endend bei 1.400 Metern. Dann sind wir unten – leider!
Es ist Mittag und an Strecke haben wir heute quasi noch gar nichts gut gemacht. Daher geht es jetzt zügig durch die Ebene nach Fundão, wo wir in einer Bar direkt an der Straße etwas zu Mittag essen wollen. Der Besitzer, ein uralter Mann, schlurft durch seinen Laden und durch die auf dem Fußweg stehenden, voll besetzten Tische. Er vermittelt den dringenden Eindruck, dass er nichts verkaufen und niemanden bedienen möchte. Er beachtet uns einfach nicht – und nicht nur uns.
Nach etwa 15 Minuten gehe ich in die Bar und frage, ob wir etwas zu trinken bekommen können. Die Antwort: Ja. Aber mehr passiert nicht. Er rührt sich hinter seiner Bar nicht vom Fleck. Auf die Frage, ob wir auch etwas zu essen bekommen können, lautet der kurze Bescheid: Nein. Ich gehe zur Kühlvitrine und zeige auf eine Dose Cola. Er zuckt mit den Achseln und bedeutet mir, dass er uns davon zwei bringen wird. Ich soll hinausgehen. Irgendwann stehen tatsächlich zwei kalte Dosen Cola auf unserem Tisch. Gläser? Fehlanzeige. Geht doch auch direkt aus der Dose.
Da wir auch noch weiter wollen, stellt sich jetzt die Frage, wie wir ihn wohl dazu bekommen, uns die Rechnung zu bringen. Und wirklich, auch diese Zeremonie zieht sich nahezu unendlich in die Länge. Nachdem wir endlich einen Zettel mit Zahlen darauf erhalten haben, legen wir das Geld einfach auf den Tisch und gehen. Da wir Einiges anzuziehen und zu ordnen haben, bevor wir wieder losfahren, z.B. „Tante Navigon“ zu programmieren, dauert es eine Weile und ich beobachte, ob er wohl kommt und das Geld vom Tisch nimmt. Keineswegs. Bis wir abfahren, hat er sich nicht wieder blicken lassen. Unser Geld liegt wohl noch immer auf dem Tisch.
Hinter Fundão fahren wir auf der N238 wieder direkt in die Berge. Wieder durchqueren wir herrliche Landschaften, allerdings auch wieder ehemalige Waldbrandflächen. Geschmolzene Begrenzungspfähle, verbogene Leitplanken, versengte Straßenschilder. Die Nadelbäume auf der einen Straßenseite stehen noch, aber sie sind verkohlt und auf der anderen Straßenseite ein Silberwald. Die Laubbäume haben offenbar nicht gebrannt, aber ihr Laub ist von der Hitze verdörrt. Sie sind silbern geworden. An einer Kreuzung ein Wohnhaus. Völlig unversehrt. Gegenüber ist alles verbrannt. Dann mitten im ehemaligen Wald wieder ein Wohnhaus. Nichts ist übrig geblieben außer den Resten von ein paar Außenmauern.
Es ist wie ein Ritt durch die Hölle: Wir sind hoch oben in den Bergen. Schatten ist selten. Die Temperatur liegt bei 40° C. Pinkelpause? Unnötig. Es kommt nichts mehr. Das Navi verabschiedet sich andauend wegen Überhitzung, obwohl es in der Brusttasche meiner Kombi ständig dem Fahrtwind ausgesetzt ist. Wir haben nur noch ungefähr eine Ahnung, wo wir sind. Orte sind hier nicht oft.
Auf der Strecke haben wir vier Sandlaster überholt, die im Schneckentempo durch die Berge unterwegs waren. Bei einer Pause sind sie wieder an uns vorbei gefahren. Wir gehen davon aus, dass bei Sertã auf die IC8 abbiegen und uns nicht weiter stören werden. Vor Sertã beginnt es nach verbranntem Gummi und heißer Bremse zu riechen. Zu sehen oder zu hören ist nichts, wir sind völlig allein. Am Ende der Stadtdurchfahrt von Sertã wissen wir, was den Gestank verursacht: Es ist einer der LKW. Offensichtlich ist er nicht abgebogen und quält sich jetzt mit qualmender Bremse den Berg hinauf. Wie lange das wohl gut geht bei dieser Hitze, bis die Achse fest sitzt oder der Reifen zu brennen beginnt. Auf diese Weise kann man auch Waldbrände erzeugen.
Irgendwann erreichen wir die N110 und kommen nach Tomar. Die Stadt ist sehr eng, sehr belebt und völlig unbeschildert. Es ist Nachmittag und es herrschen immer noch rund 38°C. Das Navi streikt und wir landen in einer Kreisverkehrsbaustelle. Es geht im Schneckentempo einer PKW-Schlange über holprigen Sand und zwischen gewaltigen Baggern immer im Kreis herum. Wo sollen wir ausfahren? Keine Schilder, kein Navi, keine Ahnung. Das Ergebnis: Irgendwo raus, wo die meisten PKW ausfahren, ungefähr der Sonne nach, Richtung Süden navigieren, Einbahnstraßen folgen, in einer anderen PKW-Schlange durch die (durchaus sehenswerte) Altstadt schleichen – und wieder an demselben Kreisverkehr ankommen.
Nachdem wir den Parcour mit kleineren Variationen zwei Mal abgefahren haben, kennen wir den Kreisverkehr und die Altstadt schon recht gut und diesmal gibt „Tante Navigon“ nicht auf, sondern lotst uns endlich aus dieser Stadt wieder hinaus auf die IC3. Bis Golegã schaffen wir es noch, dann fallen wir fast von den Maschinen. Es waren nur ca. 280 km heute und der Campingplatz ist eine Katastrophe – mehr als die geforderten 1,45 Euro pro Nacht ist er wirklich nicht wert – aber jetzt geht nichts mehr. Schluss! Aus!