Zypern

Sonnenaufgang ist um 6:35 Uhr, steht in der Tagesinformation – also jetzt. Wir sind gestern Abend in Limassol, auf Zypern angekommen und machen heute einen Ausflug in den Norden der Insel. Um 8:00 Uhr ist Treffen im Bordtheater.

Sonnenaufgang – eigentlich nicht unsere Zeit…

7:55 Uhr, eine große Traube von Ausflüglern steht vor dem Theater. Dann wird aufgerufen: „Transfer zum Strand!“ Plötzlich sind außer uns nur noch neun Personen übrig, d.h. lediglich 11 trauen sich in den türkischen Teil Zyperns.

Unsere Reiseleiterin ist Deutsche, lebt aber seit 30 Jahren auf der Insel und ist mit einem Nordzyprioten verheiratet. In jedem ihrer Sätze hört man die Verachtung für die Türken und für den türkisch besetzten Nordteil, da ihre Familie arg unter der Teilung des Landes 1973 gelitten hat. Wir sind gespannt, ob es dort wirklich so anders ist als hier im Süden, der sehr griechisch geprägt ist.

Während wir durch eine ziemlich öde und karge Landschaft fahren, hören wir viel über die wechselhafte Geschichte der Insel und ich frage mich, ob man als ein solcher Spielball unterschiedlichster Mächte überhaupt eine eigene Identität aufbauen kann. Griechen, Türken, Engländer, gerieren sich noch heute als Garantiemächte und damit als moderne Nachfolger von Venezianern, Persern, Franzosen, diversen Kreuzritterorden und erstaunlich vielen anderen, die das Land im Laufe der Zeit besessen, ge- und verkauft, verschenkt und wieder zurück gegeben haben. Ist Zypern eine Insel, die zwar strategisch wichtig ist, die aber eigentlich niemand wirklich haben will?

Wir erreichen Nikosia

Nikosia, die Hauptstadt, ist erreicht. Ein kolonialzeitlich geprägtes Regierungsviertel, einige moderne Neubauten und ansonsten eine ganz normale südländische Stadt mit relativ flachen, meist weißen Häusern. Mittendrin dann die sog. Green Line, die Demarkationslinie, wie unsere Reiseleiterin die Grenze zum Nordteil nennt. Hier haben die Türken ihre Besetzung gestoppt, weil sie sonst den Engländern (von denen behauptet wird, sie hätten die Green Line schon ein Jahr vor der Besetzung gekannt) zu nahe gekommen wären, nicht weil die Zypriotische Armee sie aufgehalten hätte.

Für uns folgen Passformalitäten und wir bekommen einen Aufpasser, der angeblich die Formalitäten beim Kauf von Eintrittskarten und beim Mittagessen erledigt, weil ansonsten im Bus niemand Türkisch spricht. Während der Fahrt stellt sich allerdings heraus, dass im Norden, wie im Süden ein Zypriotischer Dialekt gesprochen wird, den alle verstehen – außer den Neuansiedlern aus Anatolien, aber die bekommen wir gar nicht zu sehen.

Natürlich ist es nicht unproblematisch, wenn hier im Norden ein Staat ausgerufen wird, den außer der Türkei kein Land anerkennt und dieser mit 35.000 Soldaten – und damit der größten Militärdichte weltweit – abgesichert wird. Und wir haben den Eindruck, dass hier Fakten geschaffen werden. Häuser und Straßen werden gebaut, die Orte und Städte wachsen. Der Süden scheint dagegen in einem Status Quo zu verharren, der von einer guten Portion Defätismus begleitet und getragen wird: Tourismus? Ja, haben wir – aber nicht zu viel. Industrie? Ja, haben wir auch – aber auch nicht zu viel. Militär? Hmm, ja, etwas, aber schlecht ausgerüstet – da sind ja noch die Engländer… Aber über den Norden, darüber ärgern wir uns!

Wir besuchen die Stadt Kyrenia, die im Türkischen Girne heißt. Eine Burganlage, ein malerischer alter Hafen und eine Reihe hübscher alter Häuser darum herum.

Burganlage in Kyrenia
Der Hafen
Leere Restaurants am Hafen

Aber die Restaurants sind leer, die vielen Ausflugsboote liegen fest vertäut. Obwohl nur eine Momentaufnahme, kommt es mir vor, als kämen die Touristen alle so wie wir. Sie fahren aus Neugier hin, schauen sich um, wie im Zoo und verschwinden wieder.

Romantische Gassen – ohne Touristen
Ist hier wirklich „geöffnet“?

Dasselbe Szenario bei der Besichtigung der Klosterruine Bellapais. Auch hier Souvenirläden, Restaurants und Cafés, aber außer ein, zwei Bussladungen sind keine Touristen zu sehen.

Klosterruine Bellapais
Ikonostase im Kloster

Nach diesen Besichtigungen und einem guten Mittagessen geht es zurück zum Schiff. Was bleibt, ist ein merkwürdig indifferenter Eindruck von dieser Insel. Mit dem Süden, der es nicht schafft, sich international Gehör zu verschaffen, um seine Interessen durchzusetzen, sich aber über den Norden ärgert, der einfach Fakten schafft. Zypern, die Insel, die niemand wirklich haben will? Doch, einer: Du-weißt-schon-wer!

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