Von Bayern an den Rhein

Irland ist weit weg, wenn man im Osten der Republik wohnt. Drei Tage Anreise über die Autobahn sind es mindestens bis nach Cherbourg, von wo aus die Fähre nach Dublin abfährt. Aber da die Autobahn eher etwas für den Heimweg ist (das Pferd riecht den Stall) nehmen wir uns eine knappe Woche Zeit – und das auch aus gutem Grund:

Unser „Töchterchen“ wird 30 und ihre „Große“ zwei. Zudem fehlen uns noch Geocaches aus dem Saarland, aus Luxemburg, Holland und Belgien. Sechs gute Gründe, einen Umweg über Bayern und die erwähnten Länder zu machen. Dass dabei Sehenswürdigkeiten wie die Völklinger Hütte, die Saarschleife und die Kathedrale von Reims auf dem Weg liegen, nehmen wir als erfreuliches Goodie. Wir starten also nach überstandener Familienfeierlichkeit unsere Reise in der Nähe von München.


Montagmorgen

In Bayern ist vieles anders als anderswo. Könige werden nicht gestürzt oder danken ab, sie ertrinken. Flugzeugpropeller sind nicht Synonym für Freunde am Fliegen, sondern am Fahren und etwas nördlich der sog. „Hauptstadt mit Herz“ hält man sich für Olympiasieger im Automobilbau (Vorsprung durch Technik) obwohl der fünfte Ring immer fehlen wird. Aber Bayern besitzt starke Anziehungskraft. Wir merken es heute morgen! Seit 90 Minuten flott nach Nord-Westen unterwegs, kommen wir einfach nicht voran. Die Straßen sind gerade, die Landschaft ist flach und einsilbig: Mais! Hier wird Mais angebaut. — Und dort auch. — Und überhaupt. Und wo kein Mais wächst, gibt’s eine halbe Silbe mehr: Wies’n.

Im Norden Bayerns: Mais, Mais und nochmal Mais.

Auch die Dörfer sind typisiert, unterscheiden sich optisch nur marginal, wiederholen sich im beliebigen Wechsel. Ein paar flache Häuser, eine Kirche, ein oder zwei Kurven und ein Gasthof – dessen Name allerdings stets wechselt: „Gasthaus Huber“, „Zum Huberwirt“ oder „Landgasthof“ (ein Schelm, wer denkt, der Wirt hieße Huber).

In Schwaben wird es dann landschaftlich schöner, die Burg Harburg thront hoch über der B25 (man fährt unter ihr im Tunnel durch) und irgendwann ist es geschafft. Einem Gewitter über der Schwäbischen Alb knapp entkommen, fahren wir durch das schöne Kochertal. Schwäbisch Hall und Wüstenrot ist auf den Wegweisern zu lesen. Wir sind eindeutig in Baden Württemberg. Wer käme schon in Bayern auf die Idee, eine Bausparkasse zu gründen…

Noch sind wir in Bayern, aber bereits in Schwaben: Die Harburg hoch über der B25

Weil es mal wieder richtig heiß ist, umfahren wir Heilbronn auf der Autobahn und Heidelberg auf der B37, rechtsseitig des Neckars. Prinzipiell eine schöne Straße, nur fahren wir gegen die gleißende Sonne, weshalb wir die Landschaft nahezu monochrom und Heidelberg lediglich als Silhouette sehen – schon ein Bisschen schade.

Und dann der Hauptgewinn des Tages: Unser Navi bietet an, 14 Minuten zu sparen. Bei 34°C keine Frage. Das Angebot wird angenommen! Dumm nur, dass der neue Weg direkt durch Mannheim führt, das Navi die vielen Baustellen dort nicht kennt und inzwischen Berufsverkehr herrscht. So lernen wir die sog. Mannheim-Metrik, in der es keine Diagonalen gibt und nach der auch Manhattan erbaut wurde, ausgiebigst kennen, fahren im Schritt-Tempo durch kleine und kleinste Straßen, die zur Orientierung so ungemein nützliche Namen wie „E5“ oder „C4“ tragen, verlieren (übrigens gemeinsam mit unserem Navi) in den ganz engen Häuserschluchten völlig die Orientierung und sind auf der Rheinbrücke nach Ludwigshafen so ziemlich am Ende unserer Kräfte. Wir haben nicht 14 Minuten gut gemacht, sondern mindestens 30 Minuten drauf gesattelt.

Endlich sind wir auf der Brücke von Mannheim nach Ludwigshafen!

Das Budget-Hotel ist dann rasch gefunden. Hier werden wir mit großer Freundlichkeit empfangen, bekommen ein mindestens ebenso großes, absolut ruhiges Zimmer und eine piek-saubere Dusche. Es ist alles sehr einfach gehalten, aber für eine Nacht…

Abends erkunden wir noch Ludwigshafen-City, denn das Hotel liegt nur wenige Minuten Fußweg vom Zentrum entfernt und Hunger haben wir auch. Aber es ist keine schöne Stadt. Die Uniformität und Schmucklosigkeit der 1960er Nachkriegsbauten ist allerorten dominant; der Eindruck, Neues würde sich diesem Stil unterordnen, anstatt ihn zu unterbrechen, ist nicht von der Hand zu weisen. Und wer hier lebt, will sich nicht selten distanzieren: Durch auffällige Kleidung, durch zu laute PS-Boliden – oder einfach, indem man Bundeskanzler wird. Na ja, es ist nur ein Schnappschuss. Für ein Urteil müsste man mit mehr Zeit wieder kommen – aber ich glaube, das werden wir uns nicht antun. Gute Nacht Ludwigshafen!

7 Kommentare zu “Von Bayern an den Rhein”

    1. Dank für Dein Lob, Jörg! Mal sehen, wie ich zum Schreiben komme in der nächsten Zeit. Wir sind ja nicht allein unterwegs, sondern zu viert. Aber Du weißt, ich geb mir Mühe 🙃

  1. Sonntag Morgen 8.45 Uhr in Deutschland…..Frühstück in Heinersdorf……und Lektüre aus Ludwigshafen. Wunderbar unterhaltsam. Man spürt beim Lesen förmlich den Fahrtwind um Eure Nasen und leidet mit, wenn Wolfgang „HUNGER“ schreibt.
    Also….wie immer…..wunderschön geschrieben! Ich liebe Deine Art des Schreibens! Bitte mach weiter.
    Liebe Grüße vom Heinerhof.

    1. Freut mich, Grit, wenn Du den Fahrtwind auch spürst! Aber den Hunger kannst Du getrost uns überlassen. So echt zum Mitleiden sollten die Beschreibungen dann doch nicht sein! 🙄

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