Ein Tag in Vilnius – viel zu wenig!

Frühstück in Kaunas. Irgendwie erinnert es uns an das Buffet auf der Fähre. Ziemlich rustikal: Gemüse, Fleischklops und Haferflockenbrei strahlen eine gewisse Dominanz aus. Die russische Reisedelegation, die mit uns das Buffet teilt, scheint das zu lieben. Ungeheure Mengen von allem werden auf den, zugegeben kleinen, Tellern aufgehäuft, später auf diversen Scheiben Brot verteilt und mehr oder weniger fein säuberlich für den Tag verpackt. Wer (?) bitte soll das (!) alles essen…?

Wir machen uns zügig auf den Weg nach Vilnius. Über die Autobahn sind es etwa 120 Kilometer, aber das würde wieder ein ständiges Geradeausfahren bedeuten. Dann lieber 140 km über eine Nebenstrecke fahren. Bloß, die macht es uns auch nicht leicht. Abweichungen von der Geraden sind hier ebenfalls nur in homöopathischen Dosen eingestreut. Ich bin zum ersten Mal heil froh, dass meine Tiger einen Tempomat hat. Irgendwas zwischen 80 und 90 km/h eingestellt, schnurrt sie willig vor sich hin – und ich muss höllisch aufpassen, nicht weg zu nicken. Na ja, dafür ist heute die Landschaft wenigstens ganz nett.

Mittagspause

Angekommen! Der Stadtverkehr fordert einiges von Mensch und Maschine, denn der ohnehin rustikale Fahrstil der Litauer wird hier noch durch das übliche Großstadtgedrängel und allerlei Wichtigtuer mit PS-Boliden, die überhaupt keine Zeit haben, verschärft. Aber schließlich haben wir unser Hotel gefunden. Mitten in der Altstadt, direkt an der großen Kathedrale. Was für eine tolle Lage!

Kathedrale von Vilnius

Aber etwas merkwürdig ist es schon, dieses kleine Hotel Senatoriai. Ich gehe zunächst von der kopfstein-gepflasterten Straße in das Restaurant, das drei Tische auf dem Gehweg vor einer fensterlosen Hauswand in praller Sonne zu stehen hat, ein paar Stufen hinunter in einen Keller, in dem der Rest untergebracht ist; frage nach dem Hotel und werde in einen Verbindungsflur verwiesen, der zur Rezeption führt, die – ebenfalls auf Kellerniveau – wiederum einen Ausgang zum Hinterhof hat, in dem eine Autowerkstatt untergebracht ist. Auf halber Höhe zwischen Keller und zugeparktem Hinterhof, also quasi im Souterrain, finden sich unter einer Markise weitere Tische. Parken der Maschinen? Geht das hier überhaupt?

Man weist unseren Tigerlein ein Eckchen zu, das zwischen einer Mauer liegt, die hier das Gebäude verlängert und den Hinterhof bis zur Ausfahrt abschließt, dem Treppenaufgang zum Hotelzimmertrakt, der einen eigenen Eingang auf halber Höhe zum ersten Stock besitzt und einem 15 cm hohen Hartgummibegrenzer, der dafür sorgt, dass genau zu diesem Eckchen kein PKW Zutritt hat. Das Einparken ohne einen der in Hof und Einfahrt eng aneinander stehenden PKW zu beschädigen ist Millimeterarbeit und erfordert seine Zeit…

Nach dem Duschen geht’s in die Altstadt; wir statten der Kathedrale einen Besuch ab. Hier wird in einer Nebenkapelle geheiratet, weshalb das riesige Kirchenschiff von leiser Musik durchweht wird – Bach zum Beispiel oder das „Ave Maria“ von Gounod. Das gibt dem schlichten aber Kraft ausstrahlenden Gebäude auch noch einen überirdischen Touch. Sehr schön!

In der Kathedrale
Litauen ist sehr (!) katholisch!

Zurück in der Wirklichkeit, nehmen wir einen der letzten HopOn-HopOff-Busse des Tages und stellen auf der kleinen Stadtrundfahrt fest, dass man wohl mindestens drei Tage bräuchte, um den Sehenswürdigkeiten dieser Stadt wenigstens einigermaßen gerecht werden zu können. Es ist unglaublich, ja fast erschreckend, wie dicht hier Geschichte zu erfahren ist.

Impressionen der Stadtrundfahrt

Schier unzählige Kirchen wollen besucht werden, die Burg, die Künstlerkolonie Užupis, einst ein völlig verkommenes Stadtviertel, heute ein Bohème ähnlich dem Montmartre in Paris, das Rathaus, das Litauische Nationaltheater mit seinem imposanten Eingang, die Choral-Synagoge, unzählige Plätze mit historischen Bauten, deren schöne Fassaden jetzt beinahe achtlos an uns vorbei gleiten. Und nicht zuletzt das Dorf in der Stadt, Žvėrynas, das einzige Stadtviertel, in dem noch die alten, häufig bunten Holzhäuser des ausgehenden 19. Jahrhunderts in ihren idyllischen Gärten stehen. Man könnte immer so dabei bleiben. Wie gesagt: Drei Tage – und ob das wirklich reicht…?

In der Altstadt

Wir schlendern durch die teils engen Gassen und erfreuen uns an den zahlreichen Händlern, die hier original Litauische Kunst anbieten. Und während bei so manch einem die industrielle Fertigung quasi auf der Hand liegt, kann man bei anderen tatsächlich zuschauen, wie ihre Werke entstehen.

Die Sonne beginnt lange Schatten zu werfen und wir suchen ein Restaurant für das Abendessen. Meines ist dann ein original litauisches Mahl – ich fühle mich extrem mutig -, das aus etwas merkwürdig angegammelt schmeckendem Hackfleisch in Nudelteig, viel Sauerrahm und viel ausgelassenem Speck besteht. Meine bessere Hälfte ist da etwas vorsichtiger und hat mit ihrer Wahl eines ordentlichen, wenngleich landes-untypischen Fleischstücks zweifelsohne die besseren Karten.

Abends im Restaurant

Unser Tag klingt aus auf dem Platz vor der Kathedrale bei einem Bier. Und auch hier in Vilnius fallen uns die langbeinigen, wohlgeformten und elegant gekleideten weiblichen Wesen auf (darf man das in unserem von Political Correctness und GenderSprech gemarterten Land überhaupt noch sagen oder gar schreiben?), die entweder flanieren, Cocktails genießen oder mit ihren Kindern spielen. Weit und breit kein Schrat zu sehen. Wir genießen es wieder und wieder!

Der Tag klingt aus

Ein Kommentar zu “Ein Tag in Vilnius – viel zu wenig!”

  1. …..Ich freu mich schon auf den nächsten Tag.
    Und bei der durchaus bildlich und kulinarisch exakten Beschreibung Deines Abendessens, war ich froh, nicht Kosten zu müssen😅

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