Riga, das Ziel

Wir stehen früh auf, packen unsere Sachen und frühstücken zügig. Trotzdem, vor 10:00 Uhr rollen wir einfach nicht vom Platz. Wir sind langsam geworden. Früher ging das schneller.

Tristesse pur

So sehr wir uns gestern Abend die Reise noch schöngeredet hatten, so deprimierend beginnt der Tag heute. Viele der durchfahrenen Dörfer sind eher ärmlich und wenig gepflegt, geben nichts für’s Auge.

Ein Hauch von Lüneburger Heide

Dann das tolle Urstromtal. Es sieht aus, wie in der Lüneburger Heide. Nett, relativ abwechslungsreich, aber beileibe nicht so spektakulär, wie im Reiseführer angepriesen. Wahrscheinlich hätte man wieder irgendwo abbiegen müssen, was wir aber nicht haben lesen können… Wir fahren zur Küste. Mal sehen, was das tolle Seebad Jurmala zu bieten hat.

Zunächst sehen wir von der Ostsee gar nichts, denn die Straße verläuft durch einen Küstenwald. In Jurmala, müssen wir Eintritt zahlen, sonst dürfen wir nicht weiter fahren. Keiner der Einheimischen, nicht einmal Google weiß, ob die Gebühr auch für Motorräder erhoben wird und auf den Schildern steht lediglich alle Fahrzeuge. Da wir nicht auf Ärger aus sind, zahlen wir die zwei Euronen pro Maschine.

Das Seebad…

Der Ort hat sich herausgeputzt. Überall Blumenkübel, viel Grün, eine blaue Kirche, zahlreiche gepflegte Häuser, Villen, Hotels, Ferienhäuser. Nur leider liegen die alle an der vierspurigen Straße, auf der wir gerade fahren – und das beileibe nicht allein. Der ganze Berufs- und LKW-Verkehr von Norden in Richtung Riga fährt mit uns. Kein Seebad, wie wir es kennen. Von der Ostsee ist immer noch nichts zu sehen.

Wir erreichen Riga und werden nahezu wahnsinnig. Die Einfallstraßen, sechs bis achtspurig, der Verkehr wie gewohnt ruppig, aber durch den Großstadtbonus – analog zu Vilnius – ins Abenteuerliche gesteigert. Zudem gibt es tiefe Spurrillen, so dass wir zum Teil zirkusreif Balance halten müssen. In der Stadt wechselt der Autobahncharakter zu engen, holprigen Flickwerk- oder Kopfsteinpflasterstraßen – natürlich bei gleichem Verkehrsaufkommen und noch tieferen Spurrillen. Wir eiern in Schrittgeschwindigkeit von Ampel zu Ampel. Riga ist eben eine historische Stadt und wahrscheinlich sind diese Spuren denkmalgeschützt und mehrere hundert Jahre alt.

Aber die Hotelwahl, die war richtig! Wir erhalten wirklich ein herrliches Zimmer im siebten Stock mit phantastischer Aussicht über den Fluss auf die Altstadt von Riga. Das entschädigt einfach für alles!

Unser Zimmer
Unser Ausblick!

Eigentlich hat Estland die höchste Bärendichte Europas – es gibt Leute, die extra deswegen hin fahren, um an speziell eingerichteten Beobachtungsposten nachts den Tieren aufzulauern und sie zu fotografieren. Heute hat eindeutig Lettland und im speziellen Riga diesen Superlativ verdient. Der ganze Domplatz ist voller Tanzbären. Natürlich keine echten, denn lebendige Tanzbären sind auch hier verboten. Nein, es sind die United Buddy Bears, die für Toleranz zwischen den Völkern werben. Deutschland hat Lettland diese Ausstellung zum 100. Jubiläum der Staatsgründung geschenkt.

Buddy Bears

140 Bären für 140 Länder und jeder Bär ist landestypisch ausgestaltet. Der deutsche sieht aus, als hätte ihn ein Künstler in einem Anflug mühsam erarbeiteter und bewusst ausgelebter Langeweile, mit roten und gelben Farbresten, ergänzt durch schwarze, hampelnde Strichmännchen und Symbole für Deutschland verziert. Irgendwie peinlich, wenn man die anderen Bären anschaut. Bei mir erzeugen das Zeichen für unendlich über dem Brandenburger Tor und das Piano am A*** des Bären jedenfalls keine positiven Assoziationen…

„unser Bär“
Der Markt

Na ja, den Rest der Altstadt genießen wir einfach. Da wir bereits hier gewesen waren und uns damit nicht genötigt fühlen, alles sehen oder fotografieren zu wollen, schlendern wir einfach so dahin und freuen uns an den alten Häusern, den engen Gassen und dem hübschen Jugendstil der größeren Gebäude.

Wenn man Lübeck, Wismar, Greifswald kennt, Riga legt noch mal eins drauf. Hier ist nicht nur Historie, hier brummt auch das reale Leben. Riga ist einfach immer ein großartiges Ziel, immer eine Reise wert.

Trotzdem kommt abends wieder die Frage nach dem wie weiter auf. Route ändern und an der Küste entlang, wie es die meisten Baltikumbesucher machen? Die estnischen Inseln anschauen? Haapsalu, mit dem längsten überdachten Bahnsteig Europas? Oder doch so weiter, wie geplant: Peipussee, Narva, Tallinn? Über dem Abwägen der Alternativen schlafen wir ein. Und wie es meist so ist, arbeitet das Gehirn im Schlaf weiter.

Am nächsten Morgen ist klar: Wir fahren nach Tartu. Wie war das doch gleich? Wenn das Ziel das Ziel ist, braucht man Ziele! Tartu liegt nicht weit ab von unserer ursprünglichen Route und ist ein klares Ziel! Also los!

2 Kommentare zu “Riga, das Ziel”

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