Eine Insel mit zwei Bergen

Seetag. Wir treiben durch den wind- und wellenlosen Nordatlantik, dösen vor uns hin, wechseln während dessen die Majestät, tauschen Lisbeth gegen Alfons den Viertelvorzwölften – und sind am Morgen in Lummerland.

Aufwachen!

Tatsächlich haben wir nur Lisbeth gegen Margret getauscht, finden viele Inseln und viele Berge. Unser Lummerland sind die Färöer, die Schafsinseln!

Torshavn

Hier fährt man wieder richtig herum im Kreisverkehr und ist weder spleenig noch schrullig. Man ist Wikinger! 120.000 Einwohner, davon 70.000 Schafe auf 18 Inseln. Man ist autonom, bezahlt mit eigener, sonst nirgends gültiger Währung, hat eine eigene Flagge und ist nicht Mitglied der EU, alles andere, das Weltpolitische, überlässt man Dänemark – Margret eben.

Das lokale Regierungsviertel

Wir fallen mal wieder aus dem Bett, denn unser Landausflug beginnt um 7:45 Uhr. Kollafjørdur und Saksun, zwei traditionelle Dörfer stehen auf dem touristischen Programm und Ursula, eine ursprünglich aus der Schweiz stammende Reiseleiterin begleitet uns.

Von ihr erfahren wir, dass die Färöer durch irische Mönche besiedelt wurden, die aber – nur Männer und in Ermangelung einer Urbevölkerung – nach einiger Zeit ausstarben. Was sie hinterließen und die Wikinger später vorfanden, waren Schafe. Viele Schafe, denn in den Jahrhunderten ohne Menschen hatten sie sich prächtig vermehrt.

Zahlenmäßig nicht ganz so prächtig, aber mit 50.000 immerhin respektabel vermehrten sich über die Zeit auch die Wikinger, die heutige Bevölkerung – mit ihren Traditionen, der altnorwegischen Sprache und vielen ursprünglichen Lebensgewohnheiten. Zum Beispiel dem Walfang.

Gefangen wird der Grindwal, der weder unter Artenschutz steht, noch zahlenmäßig bedroht ist, traditionell per Hand. Sieht ein Dorfbewohner einen Wal in der Bucht seines Dorfes, ist er verpflichtet, alle Dorfbewohner zu alarmieren, damit sie an der Jagd teilnehmen. Zum Lohn erhält jede Familie einen kostenlosen Fleischanteil, der einerseits als Nahrung und andererseits als wichtiger Vitamin-D-Spender in dieser sonnenarmen Gegend benötigt wird. Verkauft wird nichts.

Eine der vielen Buchten

Vielleicht sollten die gut bezahlten Tierschützer und die ach so empörten Touristikmanager, die wegen des Walfanges die Färöer stigmatisieren oder sie demnächst meiden wollen, beim Verzehr ihres nächsten Sirloin-Steaks einmal darüber nachdenken…

Die Kirche von Kollafjørdur

Wir erreichen die Kirche von Kollafjørdur. Ein schlichter Holzbau mit ebenso schlichtem Interieur. Nicht besonders interessant, in der Tat, aber eines von vielen Beispielen dafür, wie hier mit nordischer Sturheit für die eigene Sache gekämpft wird: Einst wollte Dänemark den Gottesdienst auf Färingisch verbieten und Dänisch durchsetzen. Da die Färinger kein Dänisch wollten, schwiegen sich Pastoren und Gemeinde im Gottesdienst jahrelang an, bis Dänemark schließlich nachgab.

Saksun – viel einsamer geht nicht

Unsere nächste Station ist Saksun, mitten in den Bergen gelegen. Strom, Fernsehen und Telefon gibt es noch nicht sehr lange und selbst die einzige schmale Zufahrtsstraße stammt erst aus den 1970er Jahren.

Als Bauer lebt man hier traditionell von Schafen und neuerdings ein klein wenig auch von Touristen, die wie wir, das winzige Heimatmuseum besuchen. Wer keine Schafe besitzt, darf sich allerdings deren abgestoßene, überall herumliegende Wolle sammeln, um daraus nach dem Spinnen Handwerksware herzustellen – entweder für sich oder zum Verkauf.

Heimatmuseum

Und schließlich der Torf; mit ihm wird geheizt. Es gibt ihn überall direkt unter der Grasnarbe und jeder darf ihn stechen, egal, wem das Land gehört, denn niemand soll frieren. Einzige Bedingung: Die vor dem Stechen abgetragene Grasdecke ist nach dem Stechen wieder dort hin zu legen, wo sie war. Dann kann der Grundbesitzer ohne Verlust weiter seine Schafe weiden lassen.

Typische Schafstallung

Ja, es ist ein eigenartiges und eigenwilliges Land, dieses winzige, weit abgelegene Inselreich mitten im Nordatlantik. Und man könnte denken, dass die Jungen scharenweise nach Dänemark auswandern oder nach einem Studium dort bleiben, wodurch die Bevölkerung abnähme. Aber das gerade Gegenteil ist der Fall. Kaum einer geht und wer schon gegangen war, kommt meist wieder.

Vielleicht doch ein Wenig Gemeinsamkeit mit Lummerland…?

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